Der Krieg in der Ukraine ist eine Zäsur für Europa. Im Zentrum aller internationalen politischen Debatten steht die Frage, wie den Menschen in der Ukraine schnell, pragmatisch und umfassend geholfen werden kann. Dennoch gibt es in Europa derzeit auch einen Diskurs darüber, wie sich der Krieg auf die internationalen Agrarmärkte und auf die Agrar- und Klimapolitik der Zukunft auswirken könnte. In meinen Augen macht dieser Krieg deutlich, dass wir Abhängigkeiten von autoritären Regimen, beispielsweise von einzelnen Energie- und Düngemittellieferanten reduzieren müssen.
Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in Deutschland ist zu jedem Zeitpunkt gewährleistet. Dennoch stellt ein Ansteigen der Preise, aufgrund der erhöhten Preise für Energie, Düngemittel und Futtermittel auch die deutsche Agrarpolitik vor Probleme. Mein Kernanliegen auf nationaler Ebene ist es, die Folgen für die deutsche Landwirtschaft schnell und pragmatisch abzupuffern. Dazu wurden am Freitag, den 11. März erste Maßnahmen auf den Weg gebracht:
- Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird für 2022 als Ausnahmeregelung den Aufwuchs auf ökologischen Vorrangflächen der Kategorien „Brache“ und „Zwischenfrüchte“ als Futter freigeben.
- Um das Angebot an regional erzeugten Futtermitteln zu erweitern, wird das Bundesministerium die bestehende Eiweißpflanzenstrategie ausbauen und finanziell stärken.
- Bestehende Programme zur Förderung von Energieeffizienz und Erneuerbare Energien werden entbürokratisiert, damit Geld besser in den Betrieben ankommen.
Behörden der Ukraine melden, dass die Lebensmittelversorgung vor allem in den Städten immer schwieriger wird. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Kooperation mit den Unternehmen der deutschen Lebensmittelindustrie gelungen ist, ein Spendenvolumen von 91 LKW und 3105 Paletten an Lebensmitteln für die Menschen in der Ukraine bereitzustellen. Diese Woche erwartet das Ministerium bereits eine Verdopplung des Volumens. Darüber hinaus bin ich überwältigt von der Solidarität der Menschen in Deutschland, sei es die medizinische und humanitäre Unterstützung der Zivilbevölkerung in der Ukraine oder auch die Hilfsbereitschaft für die Geflüchteten.
Die Ukraine und Russland sind die Kornkammer der Welt (zusammen 30 % der Weizenexporte). Daher wird der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine zu Exportausfällen führen, die vor allem importabhängige Länder im Nahen Osten (z.B. Syrien oder Libanon), der Maghreb-Staaten (Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien), in Ostafrika und in Asien hart treffen. Aufgrund der Unsicherheit der Agrarmärkte gehen die Weltmarktpreise gewisser Agrarrohstoffe durch die Decke, so hat sich der Preis für Weizen fast verdoppelt. Geht der Krieg noch lange weiter, dann drohen aufgrund der Exportwegfälle und Preissteigerungen Hunger und ernährungsbedingte Unruhen. Eine Antwort auf diese Krise muss durch die Staatengemeinschaft gemeinsam erfolgen. Es ist wichtig, dass die internationalen Märkte offen bleiben und Ausfuhrverbote von Lebensmitteln verhindert werden. Nicht nur der Überfall Russlands auf die Ukraine stellt die globale Lebensmittelversorgung vor Herausforderungen. Mittel- und langfristig ist es entscheidend, dass wir Boden-, Ressourcen-, und Klimaschutz stärken. Es ist wichtig, dass der Krieg in der Ukraine nicht als Vorwand benutzt werden, um in der Agrarpolitik die Zeit zurückzudrehen. Der Klimawandel und der Verlust wertvoller Ressourcen bleibt weiterhin eine große Gefahr für die Versorgungssicherheit weltweit. Deswegen behalten wir eine Transformation der Ernährungssysteme fest im Blick und setzen diese schrittweise um. Dabei müssen wir mehr denn je sicherstellen, dass wir resilientere Wertschöpfungsketten aufbauen und den Selbstversorgungsgrad von z.B. Öl- und Eiweißpflanzen erhöhen.